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Administrator (jjsa) on 18.2.2018

Jean-Jacques Sarton, 18.02.2018

Begleitung einer PSP Patientin durch einen Angehörigen

Jean-Jacques Sarton, 18.02.2018

Chronische Erkrankungen fordern oft einen hohen Tribut. Als meine geliebte Frau ihre erste Diagnose erhielt, brach eine Welt zusammen. Die Diagnose bedeutete zunächst nur gewisse Einschränkungen, diese wurden aber als lebensbedrohlich empfunden. Einen effektiven Beistand zu leisten war in den ersten Monaten gar nicht leicht. Zweifel an der Diagnose bestanden auch. So ließ sich meine Frau in eine Klinik einweisen, die Diagnose wurde bestätigt.

Am Anfang war es nicht leicht, ich wurde auch ausgeschlossen, ich durfte sie nicht beim Besuch zu den Ärzten begleiten. Dies änderte sich allmählich und ich konnte mich mehr in das Geschehen einbringen. Die Ängste waren aber weiterhin vorhanden. Eine kranke Frau die nichts mehr leisten kann, die Befürchtung, dass sie wie einer „alter Kartoffelsack“ fallen gelassen wird, zu Gunsten einer jüngeren Frau ersetzt wird, begleiteten sie viele Monate. Natürlich waren diese Befürchtungen nicht berechtigt, die Gedanken daran waren aber dauernd präsent.

Der gesundheitliche Zustand verschlechterte sich, die Leistungsfähigkeit sank. Ich musste mich immer mehr mit den unschönen Seiten der Erkrankung befassen und versuchen ihr beizustehen. Manches war nicht so einfach, ihre Reaktionen, Ihr Handeln waren für mich nicht immer nachvollziehbar. Oft packte mich die Wut aufgrund unsinniger und gefährlicher Aktionen ihrerseits. Glücklicherweise kam es schlimmstenfalls zu einem Vorwurf und es gelang mir rasch meinen Ärger wieder abzulegen.

In der Zwischenzeit, handle ich wie ein persönlicher Assistent, ich organisiere die Behandlung, kümmere mich um Termine, sorge (oder versuche es) für den Haushalt, organisiere die Aktivitäten. Als Therapeut bin ich auch mehr oder weniger aktiv. Taxifahrer bin ich ebenfalls.

Ein Problem das ich bei dieser Menge an Aktivitäten habe, ist es meine bessere Hälfte nicht zu übergehen. Sie sollte alle Entscheidungen, soweit es möglich ist, selbst treffen. Eine Entmündigung darf nicht stattfinden. Es ist ein Dilemma, was darf ich meiner Partnerin zumuten, worauf soll ich verzichten? Eine Aktivierung tut ihr gut, sie möchte aber daheim bleiben. Nutze ich eine Gelegenheit, um mit Ihr an einer Veranstaltung teilzunehmen, lebt sie auf. Ich habe sie aber mehr oder weniger übergangen, war es richtig? So geht es bei vielen Angelegenheiten des täglichen Lebens.

Der schleichende Abbau, das Fortschreiten der Erkrankung stellt mich vor immer neue Anforderungen. Kaum hat sich eine gewisse Routine eingestellt, schon treten neue Probleme auf. Oft entsteht eine Ratlosigkeit, wie wird es weiter gehen?

Manchmal sieht es so aus, als würde einiges besser werden, lange dauert dies jedoch nicht an. Ein Rückschlag der einen belastet. Freude und Verzweiflung wechseln sich ständig ab.

Der Übergang von der Geliebten zum „Pflegefall“ geht weder langsam noch rasch. Innerhalb von wenigen Jahren muss die Beziehung fortwährend angepasst werden. Dies ist sicherlich für uns beide belastend. Der Verstand ist immer noch da. Sie spürt aber, dass es Berg ab geht, dass sie zunehmend auf meine Hilfe angewiesen ist. Der Übergang von eine aktiven Frau zur hilfebedürftigen Person ist schwer zu ertragen.

Die Behinderungen erschweren die Kommunikation, das Gesicht zeigt kaum eine Regung, die Sprache verkümmert. Viel Geduld und Einfühlungsvermögen sind notwendig. Es gelingt mir aber nicht immer meine Partnerin zu verstehen.

Glücklicherweise gibt es weiterhin schöne Momente. Wenn unsere Enkelin zu Besuch kommt, kann die Oma plötzlich wieder lachen und ihre Augen funkeln vor Freude.

Die Liebe haben wir wieder entdeckt, es ist nicht mehr die Liebe von jungen Menschen oder die verschlissene Liebe eines älteren Paares. Es ist ein Gefühl das unser damaliges Versprechen nahe legt, aber auch vieles mehr enthält.

Bei der gesundheitlichen Problematik bin ich auch aktiv, Ideen habe ich immer. Im Hinblick auf Hilfs-und Heilmitteln gibt es kaum mehr etwas, worüber ich nicht Bescheid wüsste. Leider spielen uns die Krankenkasse und der MDK in der Verordnung immer wieder übel mit. Bis eine Maßnahme genehmigt wird dauert es angesichts der progredienten Natur der Krankheit viel zu lang und es erfordert viel Energie und Arbeit sein Ziel zu erreichen. MDK Gutachten lesen, verstehen, Fehler entdecken und im Widerspruch korrekt argumentieren, kann nur mit ausreichendem Wissen erfolgen.

Die Betreuung nimmt viel Zeit in Anspruch, das Gesundheitssystem, das für Lebensqualität sorgen sollte, stellt sich entgegen.

Die Unwegsamkeiten des Lebens können viel Leid verursachen, aber auch viele Momente des Glückes bescheren. Es gilt die schönen Momente zu erkennen und zu genießen, sie sind oft eine Entschädigung und sorgen für ein lebenswertes Dasein.

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