Gastbeiträge
Comments
17.8.2023
Raimund Hammes
Gut geschrieben und sehr realistisch kann ich nur so bestätigen
25.1.2024
Peter Zimmermann
Der Bericht ist genau das Spiegelbild meiner Frau Insa! Der Verlauf der Krankheit ist zu 100% identisch mit dem was ich seit 2019 sehe - da wurde PSP diagnostiziert! Vorher wurde sie auch wegen Depressionen behandelt! Im Nachhinein wissen wir dass dies falsch war und auch die verabreichten Medikamente nicht gerade gut waren! Daran habe ich auch gesehen dass die Ärzte überhaupt keine Ahnung hatten!
25.1.2024
Jean-Jacques Sarton
Peter, danke für dein Kommentar. Bei meiner Frau herrschte viele Jahre vor Ausbruch der PSP ein depressive Grundstimmung. Der Verlauf der Erkrankung ist bei jeden Patienten ein wenig anders. Bei einige wirken Antidepressiva gut bei anderen ist es Gift. Ein Problem der atypische Parkinson Erkrankungen ist dass sie selten sind und damit auch von Fachärzte zu wenig bekannt. Eine "richtigere" Diagnose kann des Öfteren nur ein Paar Jahren nach dem Auftreten der ersten Parkinson Symptomen gestellt werden.
Administrator (jjsa) on 29.12.2017
„Horror im Gehirn„ PSP – schleichend, heimtückisch, vielfältig und komplex!
Klaus Dürrhammer, 19.12.2017
Heute möchte ich Euch teilhaben lassen an einer Geschichte, welche, wenngleich sie doch eine ganz andere als meine eigene ist, doch sehr vieles an Gemeinsamkeiten mit dieser aufweist. Parallelen entstanden aus der Tatsache, dass es sich um ein bislang viel zu wenig erforschtes Krankheitsbild handelt. Einem Krankheitsbild, welchem in der medizinischer als auch gesellschaftlicher Hinsicht aufgrund seiner Seltenheit viel zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Es ist die Geschichte von Rita, die unter einer sehr seltenen, neurologischen Erkrankung leidet. Und es ist die Geschichte von Klaus, ihrem Lebensgefährten, der nicht weniger von dieser schweren und so heimtückischen Erkrankung betroffen ist, da er miterleben muss wie diese unaufhaltsam weiter voranschreitet. Wie sie sich zunehmend des von ihm geliebten Menschen bemächtigt, ohne dass es irgendeine greifbare Möglichkeit für ihn gibt sie aufzuhalten oder sie zu lindern.
Ich hoffe, dass es Klaus mit seiner Schilderung gelingt Euch ebenso tief im Herzen zu berühren wie er mich berührt hat. Denn eben dieses „Sich berühren lassen“ erscheint mir die Voraussetzung dafür zu sein, dass auch Einzelschicksale nicht an den Rand gedrängt werden. Damit auch Menschen mit seltenen Krankheitsbildern von einer Gesellschaft, die sich um jeden Einzelnen gleichermaßen ehrlich und ernsthaft bemüht, aufgefangen und getragen werden. Sowohl im Hinblick auf die so dringend notwendige medizinische Forschung als auch im Hinblick auf das Verständnis für seltene und schwer zu begreifende Krankheitsbilder.
Lest selbst……..
Bodenseegegend, Weihnachten 2017
Leidensweg mit einer der ca. 6000 weltweit seltenen Erkrankungen. Gedanken einer Patientin, interpretiert von ihrem „Pfleger“.
Schietwetter, so nennen wir dieses „Grau in Grau.“
Mit „wir“ meine ich die Insulaner von Sylt, meiner Insel, auf der ich vor fast 71 Jahren geboren und aufgewachsen bin.
Dass ich an einem grauen Dezembertag in dieser Senioren-Wohnanlage in unserer Wohnung am Fenster des Dachgeschoßes stehe, ist einem gravierenden Lebenseinschnitt zuzuschreiben. Einem Umstand, der mich meine zweite Lebenshälfte nicht so weiterführen lassen sollte wie ich mir das, wie WIR uns den Rest unseres Rentnerlebens vorgestellt hatten. Mit „WIR“ meine ich „Klaus“, meinen Partner seit gut 16 Jahren, und mich.
Der Schatten, der diese Szenerie unaufhaltsam weiter verdunkelt kommt schleichend, aber doch an Geschwindigkeit zunehmend. Setzt sich als unheilvolles Grau am Ort ahnungsloser und doch sich festigender Klarheit fest. Er greift unterschwellig, kaum wahrnehmbar die Seele an, nimmt die Psyche in Besitz und verändert in kleinen Schritten das Wesen.
Zu Anfang stellte man mich, wie von Ärzten und Psychologen gerne gehandhabt, in die „Ecke“ mit den Depressionen. Der Gau selbst manifestierte sich in einer drei Tage andauernden totalen inneren Unruhe und so gut wie keinen Schlaf.
Ich wanderte zur Nachtzeit total verschwitzt in der Wohnung von einem Zimmer ins nächste, suchte Imaginäres, wurde von Klaus vom „Treppensturz“ abgehalten und wieder ins Bett gebracht, nur um fünf Minuten später meine Suche nach dem „Nichtfindbaren“ wieder aufzunehmen.
Klaus erzählte mir später, dass ich seltsame Dinge gefragt hätte, mit starrem Blick das „Nichts“ fixierend. Ich weiß das alles und kann doch nicht erklären, warum ich die seltsamen Dinge fragte. Mein oft gesprochener Satz auf die Aufforderung „Wie kommst Du darauf?“ oder „Warum sagst du das?“ beantworte ich mit „Ich weiß es nicht.“
Dieses „Ich weiß es nicht“ hat sich zum Inbegriff des Befindens meines Seelenlebens gemacht.
Ich weiß nicht, warum ich frage was ich frage. Es ist einfach in meinem Kopf, manchmal ohne Anlass, ohne Grund. Aus den Tiefen des Gehirns aus einem eigentlich bereits gelöschten Ordner geholt. Manchmal spreche ich Dinge an, die ich tags zuvor im Fernsehen gesehen habe. Unwichtige Nebensächlichkeiten die den erstaunten, fragenden Blick meines Partners auslösen. Manchmal mit schräg geneigtem Haupt, gerunzelter Stirn, so, wie man Mitmenschen anschaut, deren Verstand man anzweifelt. Ich selbst frage mich nie ob der Verstand noch funktioniert weil ich meine dass er es tut. Auch Klaus bestätigt mir immer wieder, dass ich erstaunliche Gedankengänge zeigen könne. Abläufe, auf die er selbst nicht kommen würde.
Ich muss ihn auch regelmäßig an Termine, Besorgungen und Geplantes erinnern. Ich bin sein lebender „Terminer“. Der krasse Gegensatz zeigt sich in der Tatsache, dass mein Kurzzeitgedächtnis schlechter geworden ist. Nicht immer und manchmal hat es sich schon nach einer Stunde wieder „repariert“, manchmal nach einem halben Tag. Klaus schüttelt dann nur ungläubig den Kopf, ob der Vielfalt der geistigen Wandelbarkeit.
Genauso wie mein Kopf macht auch meine körperliche Verfassung was sie will. Es gibt Tage an denen ich am liebsten dreimal um unseren Badesee marschieren würde. Das sind immerhin etwa 10 Kilometer. Es gibt auch Tage, da möchte ich mich im Bett vergraben, nichts hören, sehen, ja auch nichts denken. Schon gar nicht Gedanken über meinen Zustand vergeuden.
Aber zurück zu den Anfängen. Irgendwann, es war kurz nachdem ich anlässlich eines Kurztrips mit Freundin nach Prag nachts um 2 das Hotelzimmer putzen wollte, glaubte Klaus nicht mehr an das Gerede von Depressionen und ließ mich in einer neurologischen Abteilung einer Klinik vom Kopf auf die Füße und wieder zurück stellen. Das Ergebnis war dann zu etwa 90% der Verdacht auf eine a-typische Parkinsonerkrankung die mit dem „abenteuerlichen“ Namen „PSP, progressive supranukleäre Blickparese“ tituliert wurde.
Aber was steckt hinter diesem „Zungenbrecherbegriff“?
Die PSP ist eine chronisch fortschreitende neurodegenerative Erkrankung die 1964 von drei kanadischen Medizinern das erste Mal beschrieben wurde.
Die Erkrankung betrifft die Basalganglien, ein Bereich im Gehirn der u.a. für Koordination und Durchführung von Bewegungen zuständig ist. Es kommt im Verlauf zum „Untergang“, Verlust von Nervenzellen, vor allem in der „substantia nigra“ und auch anderen Bereichen des Gehirns. Die Bezeichnung „Blickparese“ beschreibt nur EIN Symptom, nämlich eine verminderte Blickbeweglichkeit vor allem vertikal, nach oben und unten.
Die Anfangssymptome variieren und sind häufig:
Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Unsicherheit beim Gehen, überraschende, unerklärliche Stürze, oft rückwärts, verlangsamte Körperbewegungen (Bradykinese), verlangsamte Augenbewegungen, Muskel-Steifheit (Rigor), verschwommenes und doppeltes Sehen, kleinere undeutliche Handschrift bis zur völligen Schreibunfähigkeit, Konzentrationsstörungen, Lustlosigkeit/Desinteresse, Persönlichkeitsveränderungen.
Die ersten Anzeichen sind i.d.R. Zwischen dem 40.und 60. Lebensjahr zu beobachten.
So kann ich mich noch „begünstigt fühlen, habe ich doch Spürbares erst mit ca. 66 bekommen. Da fing das Leben nicht an (Udo Jürgens), da endete es bei mir, – zumindest der bewusste, aktive Teil.
Die Erkrankung verläuft schleichend, auch in Schüben mit den vorgenannten Symptomen Im Verlauf können Sprech- und Schluckstörungen dazukommen, die Kognition der meisten Patienten leidet von Anbeginn. Die Patienten haben teilweise dementielle Erscheinungen, die Wahrnehmung ist gestört, Denkvorgänge sind verlangsamt, Situationen können nicht mehr ab- und eingeschätzt werden, die Motorik leidet unter spastischen Einschränkungen.
Was der eine Patient hat ist beim Anderen kein Thema und umgekehrt.
Kurzum: Alles kann muss aber nicht sein!
Die Tragweite dieser Diagnose „PSP“ wurde uns erst so richtig nach einer Zweit-Bestätigung in einer Uniklinik bewusst und löste erst einmal praktische Aktionen aus. Das Haus in dem wir wohnten wurde verkauft und der Umzug in die vorgenannte „Generationenresidenz“ in eine Maisonette über zwei Etagen mit 80qm ging problemlos vonstatten.
Ja, seit dem Einzug in der Residenz sind nun über vier Jahre vergangen und die Erkrankung hat an Tragik zugenommen.
Innerhalb dieser vier Jahre konsultierten wir mehrmals einen der besten Neuro-Spezialisten der an einem Krankenhaus am Schliersee, Nähe München, als Chefarzt der neurologischen Abteilung arbeitet. Ein Professor für Neurologie und für Palliativmedizin. Mit Letzterem bin ich ja paradoxerweise „nicht fehl am Platz!“
Mit seiner Hilfe testeten wir im Laufe von gut 2 Jahren viele Medikamente, hauptsächlich Psychopharmaka. Ein Medikament zur PSP gab und gibt es nicht, obwohl die Entdeckung über 50 Jahre zurückliegt. Für die Pharmaindustrie nicht profitabel genug, meinte Klaus.
Ein Akt der medizinischen „Verzweiflung“ ist die Gabe eines Parkinsonmittels mit Dopamin, das beschränkt helfen kann oder auch nicht. Ich nehme es auch, obwohl ich bis heute nicht weiß, ob es wirklich hilft, da Klaus es auf Anraten unseres Professors nicht absetzen will. Jetzt, im Dezember 2017, hat eine Studie begonnen die für mich wegen zu starkem Symptomfortschritt nicht mehr in Frage kommt.
Welch‘ Ironie des Schicksals !!!!
Gut drei Jahre lang wurde diese Studie angekündigt und gut ein halbes Dutzend Mal verschoben. Ich hätte die besten Chancen auf eine wesentliche Verbesserung gehabt.
So bin ich nun zum Tode „verurteilt“ und mir bleibt nach gut 5 Jahren PSP, die eine durchschnittliche Leidensdauer von 7 Jahren prognostiziert, nicht mehr viel Zeit !
Ich kann inzwischen nur noch mühsam untergehakt gehen, meine Sprache ist stark gestört und das Schlucken macht mir immer wieder Probleme. Aufgrund der sehr intensiven Therapiebemühungen und wahrscheinlich auch NEM-Experimente von Klaus geht es mir relativ gut nach dieser Zeit. dh. es ging mir gut, bis Mitte 2017 ein krasser Verschlechterungsschub auftrat, was nicht ungewöhnlich ist.
Überhaupt hat die Erkrankung ein außerordentlich facettenreiches „Gesicht“ dem Klaus mit vielen abgesicherten Test’s und Therapien auf eigene Rechnung Paroli bieten wollte. Leider vergeblich !!!! Er leitet auch die Facebook-Gruppe „psp.bodensee“ eine Diskussionsplattform die von ihm aufgrund der allgemeinen Unwissenheit, auch bei Ärzten, gegründet wurde und inzwischen 250 Mitglieder hat.
So versuchen wir, dem Leben noch etwas Qualität abzuringen, was natürlich nicht ganz einfach ist. Klaus hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben und nötigt mich momentan zur hochdosierten, aber ungefährlichen Einnahme eines biologischen NEM’s (Nahrungsergänzungsmittel) das auch als Gewürz bekannt ist und das anlässlich einer Studie an der Bostoner Universität bei Mäusen und Ratten gute Ergebnisse erzielt und die Verringerung der „Tau-Verklumpung“ im Gehirn angestoßen hat.
Ich bin zwar weder Maus noch Ratte aber egal, auch dieser Strohhalm wird ergriffen solange ich noch Kapseln schlucken kann.
Schaun’wer mal ……… würde Klaus sagen. Was bleibt mir auch schon Anderes übrig!
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