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Gastbeiträge

Administrator (jjsa) on 31.10.2019

Daniela Köhrer, 31.10.2019, naturgefluester.blog

Wenn die Seele Trauer trägt…..

Daniela Köhrer, 31.10.2019, naturgefluester.blog

bekomme ich so unglaubliche Sehnsucht nach der Nordsee. Eigentlich geht’s mir körperlich besser. Sehr viel besser zumindest als in den vergangenen Jahren. Besser als vor der Behandlung, besser als während der Chemotherapie, besser als während der Ak- Therapie und besser als im Sommer als die Lungenbeteiligung wieder zurückgekommen ist.

Wirklich gut geht es mir aber nicht. Ja, das CellCept schlägt allmählich an, die Beschwerden werden weniger, sind nicht mehr ganz so ausgeprägt. Aber belastbar? Das geht definitiv anders!!!!

Und vor allen Dingen, meine Seele hat gelitten, ich bin mürbe. Ich stecke einfach nichts mehr weg. Dinge die mich früher lediglich am Rande gestreift hätten, werden zur Tragödie. Beschwerden die ich früher locker „weg-ignoriert“ hätte versauen mir regelrecht den Tag.

Ich spüre Perspektivlosigkeit in mir, obwohl da plötzlich wieder eine wäre, also zumindest ein Hauch davon. Aber irgendwie hat der Wolf doch alles in Stücke geschlagen. Ich bin in den vergangenen Jahren so oft wieder aufgestanden, hab von vorne begonnen, mein Leben wieder neu ausgerichtet. Immer mit demselben Ergebnis. Ganz egal was ich angefangen habe, der „Wolf“ hat es zerbrochen und in Stücke gerissen, mich mit leeren Händen zurückgelassen.

Und Hilfe? Die gab es nicht. Keine medizinische Hilfe, denn es hat Jahre gedauert bis man mir überhaupt geglaubt hat, dass ich krank bin. Und weitere Jahre bis ich behandelt wurde. Und psychologische Hilfe? Die gab es auch nicht, zumindest keine die auf das eigentliche Problem ausgerichtet gewesen wäre. Denn wer aus medizinischer Sicht nicht krank ist, der braucht diesbezüglich auch keine Hilfe…..

Ja, noch nicht einmal dann, als  die Lungenbeteiligung erkannt wurde und ich mit Chemotherapie behandelt wurde gab es weitere Hilfe. Ernährungsberatung!!  Ja, das schon. Aber keine Hilfe für die Seele

Versucht diese zu bekommen habe ich schon, so ist es nicht! Ich komme aus einem Beruf mit therapeutischem Hintergrund und weiß, dass im Falle einer schweren Erkrankung die Seele leidet und mitgenommen werden muss. Aber bekommen habe ich diese Hilfe nicht. Trotz mehrerer Anläufe nicht.

Mit Entsetzen erinnere ich mich an meinen letzten Versuch bei einem Therapeuten Fuß zu fassen. Leider hatte meine Geschichte da so überhaupt keinen Platz. Die Tatsache, dass ich jahrelang schwer krank und ohne Hilfe durchs Leben gegangen bin, meinen Beruf und mein Zuhause verloren habe, dass ich Todesangst hatte und niemand da war der geholfen hätte, all das hatte in diesem Gespräch keinen Raum. Vielmehr wurde ich (für mich mit beruflich entsprechenden Hintergrund nur allzu offensichtlich) nach Neurosen abgesucht. Und als ich damit nicht ausreichend dienen konnte (und schon gleich gar nicht wollte) wurde mir mitgeteilt, dass man meine Ansicht teile und darauf vertraue, dass ich in der Lage sei, Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen.

Fast muss ich lachen während ich das schreibe, denn weiß Gott, das ist nun mehr als wahr. Ich bin seelisch ziemlich gesund und gut geerdet, denn wäre ich das nicht, dann hätte ich wohl nicht überlebt. Hätte gar keine Chance darauf gehabt mich durchzukämpfen, bis hin zur Diagnose, und weiter hin bis zur Behandlung.

Aber Hand aufs Herz!!!! Wie viele Krisen kann ein Mensch ertragen bis er zerbricht? Wie viel Todesangst kann er aushalten? Wie lange erträgt ein Mensch es mit dieser alleine gelassen zu werden? Wie lange hält ein Mensch es aus schwer krank zu sein und keine Hilfe zu bekommen? Nur für begrenzte Zeit, so viel ist sicher!!!! Ich denke fast 20 Jahre sind da schon ein Wort, oder?!

Ja, ich denke ich werde noch einen Anlauf nehmen. Nächste Woche werde ich mit meinem Hausarzt sprechen. Er weiß um die Tragödie die sich da in meinem Leben angespielt hat. Ich werde ihn bitten mit der Psycho-Onkologie Kontakt aufzunehmen. Vielleicht gibt es da ja jemanden der mir helfen kann, der es erträgt mein Stell-Dich-Ein mit dem Tod. Der es aushält dieser jahrelangen, absoluten Hilflosigkeit zu begegnen.

Ich hoffe, dass man dort versteht, dass ich jemanden brauche, dem ich meine Geschichte erzählen kann, der sie versteht, der begreift welcher Tornado über die Seele eines Menschen hinwegfegt, der schwer krank ist, aber dennoch ohne Hilfe bleibt.

Mal sehen ob das klappt. Denn ich habe ja „nur“ ein indolentes Lymphom. Aber können nicht auch Menschen mit Autoimmunerkrankungen schwer erkrankt sein? Können nicht auch Erkrankungen die jahrelang keinen Namen finden Todesangst auslösen? Erleben Menschen mit einer solchen Geschichte wie der meinen nicht dieselbe Angst, dieselbe Hilflosigkeit, dieselbe Verzweiflung wie ein Krebspatient? Und benötigen sie demnach nicht auch dieselbe Unterstützung wie ein solcher?!

Ich denke schon und ich hoffe darauf, dass dies verstanden wird. Ja, und noch mehr!!!! Ich hoffe darauf, dass dieser Gedanke Einzug hält im medizinischen System. Ich hoffe darauf, dass es künftig Therapeuten geben wird, die in der Lage sind auch dieses Problem zu erfassen, da es gesellschaftlich erfasst wird.

Ich hoffe darauf, dass auch im Bereich der seltenen Erkrankungen verstanden wird, was in der Krebstherapie schon längst verstanden wurde. Darauf, dass schwer kranke Menschen, egal von welcher Erkrankung sie betroffen sind, egal ob diese nun einen Namen hat oder nicht, entsprechende Hilfestellung bekommen…Ja, darauf hoffe ich!!! Nicht nur für mich, sondern ebenso sehr für die vielen anderen Menschen, von denen ich weiß, dass sie ganz ähnliche Geschichten zu ertragen haben, wie ich selbst….

 

Epilog:

Es ist schon merkwürdig, aber jetzt nachdem ich diese Zeilen verfasst habe, geht es mir deutlich besser und ich kann für den Moment noch nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen, ob ich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch Hilfe benötige oder ob es zur abschließenden Verarbeitung nicht ausreichend ist, meine Geschichte hier auf diesem Blog nieder zu schreiben und anderen Menschen zugänglich zu machen….man wird sehen! Kommt Zeit , kommt Rat und vielleicht Stück für Stück auch wieder ein kleines bisschen mehr an Perspektive…..

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